neurologie

 

 

 

Der erste Tag auf der neurologischen Station beginnt mit Krafttests der Hände und des Vorderfußes, Gesichtsbewegungen, Lidschluss-Kontrolle und den üblichen Fragen nach Toilettgang, Blutdruckmessen, gefolgt von EKG, Messen der Gehirnströme, Röntgen des linken Fußgelenkes, 20 Minuten in der Röhre dem Geklopfe lauschen und dabei ruhig bleiben, dann nochmal rein in die Röhre, weil die Schwester etwas vergessen hat, daraufhin folgen einige Röhrchen Blutabnahme, legen von einem halbwegs haltbaren Katheder, vorteilhafterweise schön an der Rückseite des Handgelenkes angebracht.

 

 

Harntests und ein Nervenleiter-Funktionstest, der schlimm aussieht, weil die Nadeln echt weit in die Haut geschoben werden, ergänzen die Abfolge. Tags darauf folgt die Lumbalpunktion - auch hier spürt Lilly weniger als nichts. Es bestätigt sich die Erst-Diagnose: Guillian-Barreé-Syndrom. Es folgen weitere Blutabnahmen, da man nach etwas zu suchen scheint, genauere Labor-Befunde haben möchte.

 

 

"Wann war ihre letzte Darm-Infektion?", forscht einer der Ärzte nach. "Das erste Wochenende im Jänner in Hongkong.", gibt Lilly zur Antwort. "Negativ, es müsste innerhalb der letzten zwei Wochen gewesen sein.". "Wo führt das alles hin?", interessiert sie sich für die Erfahrungswerte des Arztes und ihr wird erklärt, dass die Intensität des Ablaufes verschieden ist. Jedenfalls steigt diese bis zu einem gewissen Grad, bildet sich nach dem Höhepunkt wieder zurück und flieht zuletzt wieder aus der Stelle, an der es angefangen hat.

 

 

"Gibt es denn einen Masseur in diesem Haus? Fußmassagen könnten helfen.", hat Lilly die Idee des Tages. "Es gibt doch Zusammenhänge zwischen Fußsohlen und dem Gesicht und Organen.". "Wir sind ein Krankenhaus, kein Wellness-Hotel.". Lillys Töchter springen ein. Sie wechseln sich ab. Mit dem Cocos-Massage-Öl und bei der Berührung der Füße entspannt sich das Gesicht.

 

 

Als sie zu schwach wird, um die Plastikhülsen von den Tampons abzuziehen, steigt sie auf Krankenhaus-Unterwäsche um. Sie ist überrascht über das hohe Aufkommen von männlichen Pflegern, aber auch froh, denn die sind es, die ihre 52 Kilo hochheben und zur Toilette tragen können. Im Bett lässt er mich dann noch ein wenig sitzen, bis ich selbst zur Seite in die Polster kippe.

 

 

Die Seitengitter am Bett geben Sicherheit. Er lässt mir auch das Handy im Bett liegen. Es stört ihn nicht. Manchmal legt er es mir sogar extra in Reichweite oder in die Hand. Das elektronische Teil wird wahrlich zum Segen: Durch das Betrachten der Fotos gaukelt sich Lilly vor, alles sei so, wie es immer war. Am Ende der zweiten Woche sind ihre Hände so schwach, dass sie das 200g-Teil nicht mehr halten kann.

 

 

Ihre Sinne verflüchtigen sich, die Eindrücke werden eintönig. Alles verschwimmt in einem Tümpel aus Langeweile. Nach zwei Wochen fühlt sie sich nicht nur wie 70, sondern sieht auch so aus. Aufgrund fehlender Möglichkeiten hat sie auf Autoerotik umgestellt. Das Leben ist kein Leben mehr.