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Die Möbel stehen kreuz und quer, teilweise übereinander. Es ist nicht leicht, die gesamte Einrichtung einer 140 m2 Stadtwohnung in zwei Jugendzimmer mit Bad und Balkon zu quetschen. Es ist ihr egal. Sie sucht den Bürokram, ihre Ordner, checkt die Herdplatten in der Küche und lässt sich in die weichen Polster ihres Sofas fallen, ohne zu bedenken, dass sie nicht mehr aufkommt. Die Großmutter kocht zuerst mild, dann immer schärfer.

 

 

Chili und Pfeffer sollen die Lebensgeister wecken. Lilly schleift den Fuß nach, aber trainiert das Treppensteigen. Im Garten unter freiem Himmel fühlt sie sich verloren und schwindlig. Sie hat viele Termine abzuarbeiten, bei Hindernissen oder Windstößen fällt sie um. Viele nette Leute kommen zu Besuch. Sie kann schon bis zu zwei Stunden aufrecht sitzen, steigt aber noch nicht in die Badewanne. Mit Hanteln und einem Stepper trainiert sie in der Küche.

 

 

Zwischen den Therapie-Terminen hat sie Zeit über ihre Vergangenheit zu recherchieren, stößt auf Ungereimtheiten. Abends spielt sie mit ihrem Sohn Ball. Er wirft etwas kräftiger und fängt mit Boxspielen an, wo er sie auf der empfindlichen Brust trifft und diese damit von einem behüteten Glasperlenspiel zu einem kräftigen, antastbaren, brauchbaren Körperteil acht. Später fahren sie zum Basketballplatz am Hügel über der Stadt und bewundern Sprungkraft und neue Aussichten.

 

 

Der Achtjährige besucht die Grundschule und hat plötzlich lauter Einsen. Er macht bei Tanzwettbewerben mit - gewinnt. Ebenso beim Fechtturnier. Durch das scharfe Essen und die laufende Regeneration spürt Lilly ein Kribbeln in den Füßen und Kitzeln in der Nase, ihre Adern in der Fußhöhle werden wieder sichtbar. Sie macht kleine Wege zum Nahversorger, Schulgebäude. Manchmal schlüpft sie probeweise in Pumps.

 

 

Lilly absolviert den Therapie-Marathon mit Co2-Bädern, Balance-Training, Lauf- und Gehtraining, uvm. Mit der Zeit wagt sie Bäder, hat den größten Spaß beim Schwimmen im großen, blauen Therapiebecken. Sie trifft Freundinnen, Cousinen, ihre Töchter und weiß, dass es nie wieder so wird wie früher, ist offen für Neues. Sie bewundert ihre Schwester, wie sie den Großeltern oft hilft, obwohl sie Besitzerin eines Nutzgrundstückes ist, dass nach einer Umwidmung hunderte tausend Euro wert ist.

 

 

Sie kauft eine Schnäppchen-Limousine, übt Autofahren, verkauft diese um das Doppelte an einen Liebhaber dieser Marke. Sie erstellt einen Europapass-Lebenslauf, es wird deutlich, dass nicht hier arbeiten wird. Ihre Tochter will zum Flughafen gebracht werden, sie hat sich ein Work-and-Learn-Jahr in Südkorea organisiert.

 

 

Der Sohn hat nach einem Besuch bei seinem Vater wieder starke Fieberkoliken, wie er es früher hatte. Dem Großvater reicht es. Er steht auf und geht vor die Tür... und plötzlich… siehe da, ist die Bahn frei, um auszufliegen. Sie holt ihren Sohn am Zeugnistag von der Schule ab und fährt los. Zwei Tage später lebt und arbeitet sie auf einer traumhaften Nordsee-Insel.