endlich raus hier

 

 

Lilly kommt von der Sonnenterrasse zu ihrem Zimmer zurück und betrachtet die Dinge, die sich am Nachtkästchen stapeln. "Was ist das eigentlich alles? Was mache ich hier?", wenn sie könnte, würde sie tief seufzen. Die Fingertrainer, die bunten Bänder, ein Atemtrainingsgerät mit einem lustigen Bällchen drinnen, welches sie immer falsch herum betätigt, der Ergometer.... Das Bett neben ihr wird neu belegt.

 

 

Eine dickere Frau, die eigenartigerweise gut gelaunt scheint, trotz bleibender Schäden durch Kinderlähmung an Händen, Beinen und Darm. Sie ist freundlich, Lilly auch, zeigt sich aber an keiner Unterhaltung interessiert. Zum Glück erscheint eine Ärztin im Zimmer und positioniert sich zwischen Lilly und dem Fenster. Sie ist hübsch, dunkelhaarig, kurzer Haarschnitt mit dunklen Augen, cirka 30 aufwärts und ihre Stimme lässt auf eine leitende Funktion schließen.

 

 

"Ich darf ihnen mitteilen, dass wir schon morgen ein Bett für sie zur Verfügung haben.". Ihr Herz schlägt Purzelbaum im flachen Brustkorb - es gibt keinen Ausdruck für die große Freude, die entlang der Wirbelsäule ins Gehirn kriecht. "Echt? Wie das jetzt so schnell? Wie läuft das ab? Wo muss ich hin?", wurreln die heiseren Buchstaben aneinandergereiht zu Wörtern, sogar Sätzen aus ihr heraus.

 

 

"Sie werden geholt.". lächelt sie und verabschiedet ihre schlanke Figur in einem der schnittigen Arztmäntel wieder nach draußen. Ihre ruhige, angenehme Art gefällt Lilly. Sie ist glücklich und fängt an, den Nachttisch auf Rollen mit dem klappbaren Esstisch aufzuräumen. Manche Dinge landen im Papierkorb am anderen Ende des Zimmers, manches wird verschenkt.

 

 

Sie darf duschen - selbständig. Alles neu, das gleiche, wie immer, doch wieder anders. "Soll ich ihnen den Haaransatz nachfärben?", bietet sich eine Pflegerin mit dunklem Haar und kräftiger Stimme an. Lilly findet, sie sieht sympathisch aus und darf ran. Die Schnellkur am Kopf tut gut. Sie versucht mit den unbeholfenen Fingern, den Drehverschluß der Mascara zu öffnen und aufzutragen.

 

 

Sie absolviert ihre Lungenfunktionstests im Glaskasten, lässt sich einen Schlauch in die Körperöffnungen des Gesichts einführen und wieder rausziehen, während ihr Kopf im Sitzen an einer Wand fixiert ist, welcher die Funktionsfähigkeit und Unversehrtheit der inneren Kehrseite kontrollieren soll und zu den ekelerregenderen Untersuchungen bisher zählt und zum Glück überraschend auf sie zugekommen ist.

 

 

Sie darf eine Woche früher als erwartet nicht nur in eine andere Station, sondern auch in ein anderes Gebäude wechseln. Den tiefsten Punkt des Fegefeuers hat sie hinter sich. Es wird heimelig. Morgens liegen Zeitungen am Frühstückstisch, was ebenso wie das Pay-TV Verbindung zur Außenwelt schafft. Der Frau neben ihr steht nur noch wenig Sehkraft zur Verfügung. Wenn sie am Gang zum Zimmer schlendert, kracht immer ein Pantoffel und der andere nicht. So erkennt Lilly schon von Weitem, dass die Dame am langsamen Anmarsch ist.