high-flow

 

 

 

Hier regiert der Internist. Es geht ans Eingemachte. Wer Messer und Gerät hat, besitzt die Macht. Das Tempo hier ist im Gegensatz zu der einschläfernd-lähmender Endstation-Stimmung und zeitlupen- und traumsequenzartig-siechender Schwere der Neurologischen Station ganz nach Lillys eilig-flinken-neugierigem Geschmack, jedoch muss sie die geistigen Recherchen, das Denken in journalistischen Schlagzeilen, um ein belletristisches erweitern, wohin sie das gespenstisch-thrillermäßig-brutale, höchst angespannte Angst- und Stresspotential dieser Station sinnvoll reinpacken kann.

 

 

Hier regt das Gefahrenpotential die Adrenalinproduktion an und bringt wieder mehr Kick und Interesse in den Geist. Leider verschläft sie gerade blind und taub die besten Aktionen. Ihr Körper liegt da wie eine gut erhaltene Autokarosserie, deren Motor durchgecheckt, das Öl gewechselt, Scheibenwischwasser ausgetauscht, eine neue Batterie eingebaut wird.

 

 

Der Body ist angehängt, wird ausgeblutet und bekommt "gewaschenes", erkaltetes Blut zurückgeleitet. Versorgungs- und Abfluss-Katheter bohren sich durch die Haut der oberen linken Brust und die Ausscheidungs-Körperöffnungen. Infusionen tropfen in die Unterarme. Er wird mit Rohren und Sonden in der Kehle gelagert, um beatmet und ernährt zu werden. Bänder und Muskeln werden mit Stromstößen durchzogen, bewegt und gedehnt.

 

 

Es legt sich Morphium und Opiat zwischen sie und jeglicher Eigensteuerung. Licht trifft auf die Pupille, doch erreichen Lilly keinerlei Bildinformationen. Schallwellen treffen ungehört auf das Trommelfell. Zwischen Lilly und der Außenwelt steht ein Narkotikum oder Hypnotikum und zwischen ihrem Körper und jeglicher Empfindung das Analgetikum.

 

 

Plötzlich geht der Strom wieder an - sie sieht ihre Handgelenke, die aussehen, als hätte man sie gerade vom Kreuz geholt. "Wo bin ich?" denkt sie. "Ist das jetzt die Intensivstation, von der alle gesprochen haben?". Sie muss nicht atmen. Die Geräusche sind fremd und wiederholen sich ständig. "Gibt's hier keine Menschen. Was ist das für ein Raum?".

 

 

Ihr Atemimpuls ist, wie Gas geben im Leerlauf. "Muss ich das jetzt auch nicht mehr machen?", fragt sie sich, während die Atemluft wie durch einen schmalen Streifen durch die obere Brust strömt und es sich anfühlt, als wolle sie eine Luftmatratze aufblasen, die am anderen Ende ein Loch hat. Sie beendet ihren Atem-Impuls und lebt trotzdem weiter. Sie liegt nur da. "Wie einfach das Leben ist.", genießt sie den Zustand. Etwas fehlt ihr - die Empfindungslosigkeit.

 

 

Ein menschliches Wesen betritt den Raum, beachtet Lilly nicht. Sie hebt ihre dick eingebundenen Handgelenke an. Die Person kommt näher, fokussiert einen Punkt auf ihrer Brust, beachtet sie nicht, wohl in der Annahme, sie befindet sich noch im Tiefschlaf. "Was hab ich da?", ruckt sie geringst den Kopf nach links. Da ist irgendetwas Sperriges in ihrem Hals. "Gibt's jetzt dahin jetzt auch schon Katheter?"