neurologische reha

 

 

Außer Samuel, kommen natürlich auch die drei Töchter und entführen sie am zweiten Ausgeh-Sonntag zu einem Badesee, wo sie am Ufer sitzend die Geräusche und Stimmen, das Hundekläffen und die Gerüche wahrnimmt, der Vater, die Mutter, die Oma, Cousinen und Freundinnen zu Besuch.

 

 

Die eine erfreut sie mit einem Korb voller Leckereien, Sonnenblumen, selbstgemachter Marmelade und einem Frauen-Buch, also wo es um humorvollen Umgang mit der Spezies Mann geht, was Lilly nachhaltig in guter Laune hält. Sie verspricht, den Kontakt zu halten, da sie schon in ein paar Stunden in ein Flugzeug steigt, für immer an die Westküste Nordamerikas zieht. Lilly wünscht ihr viel Glück und dass sie auch bald ihre große Liebe findet. Sie ist ja dann dort, wo sie sein will, dann steht auch einer fruchtbaren Verbindung nichts mehr im Weg.

 

 

Die andere sieht fantastisch aus, trainiert grade für den Marathon, überbringt aber die Botschaft, dass sie sich nach gefühlten 1000 Jahren von ihrer großen Jugendliebe, mit der sie schon drei Kinder hat, scheiden lassen wird. Ein Run in ein neues Leben sozusagen. Lilly ist schockiert: "So muss sich das damals angefühlt haben für die Menschen rund um mich.", denn es war bei ihr nicht anders. Sie kann nicht mehr für die Beste tun, als ihr noch ein paar Tipps mitgeben, was sie schmerzhaft am eigenen Leibe erkennen musste, nicht so von Vorteil erwiesen hat. Sie soll es besser machen, sich nicht aufs Kreuz legen lassen.

 

 

"So verschieden sind die Leben, die Sprünge in eine andere Matrix.", stellt sie fest und ist müde, von der Stunde Aufmerksamkeit in ihrer Besucherzeit. Wenn sie hier rauskommt, hat sich die Welt um sie ein Stück weit mit verändert.

 

 

Als ihre Tochter mit ihr einen Spaziergang zum nächsten Shopping-Center macht - genau dieses, vor dem Lilly gestürzt ist, muss sie über Gleise. Die ganze Hektik macht sie unruhig. Das bunte Treiben auf der Hauptstraße, das Rattern, der nahenden Straßenbahn, die Düfte im Geschäft, was sie früher alles anziehend fand, rufen nichts mehr in ihr hervor. Sie wundert sich nur, warum sich die Menschen, diesen Staub und Stress freiwillig antun. Auch die Tochter hat nicht wirklich Interesse daran, ihre langsame Mutter hier über die Straßen zu schleppen, oder in die Obergeschoße mit dem Lift - Rolltreppe ist ein absolutes No Go.

 

 

Als Lilly wieder zurück in ihr Zimmer gebracht wird, bemerkt sie, dass die Bettnachbarin sie nicht interessiert mit den Tagesnews begrüßt, sondern weinend im Bett liegt. Ihr ach so geliebter und verehrter Sohn hat ihr einige Tage zuvor etwas unterschreiben lassen, wo sie in der Meinung gelassen wurde, es sei etwas Belangloses, wie Lilly es mitbekam, jedoch hat er ihre Sparbücher aufgelöst, ihre Wohnung verkauft, sie in ein Altersheim eingewiesen. Sie weint unaufhörlich vor Enttäuschung, erzählt mir bitterlich schluchzend, was sie alles für ihn und seine Familie getan hat. Sie bekommt ihre Schlaftablette an dem Abend ein wenig früher. Am nächsten Morgen ist ihr Bett leer.