Medikamente-cocktail

 

 

Lilly genießt die Momente auf der Sonnenterrasse sehr. Ihr Besucher wird ruhiger, kommt mir aus seiner zurückgelehnten Haltung entgegen, stützt sich mit den Ellenbogen an seiner Schenkeloberseite ab: "Kann ich etwas für dich tun?" und meint das so ernst, dass Lilly auch ernste Gedanken durch den Kopf schießen:

 

Es gäbe so viel zu tun, dass sie gar nicht weiß, wo sie anfangen soll. Sie lässt ab, von dem aussichtslosen Vorhaben, die Gedanken zu ordnen und in einem realistisch überschaubaren Zeitaufwand so ausdrücken zu wollen, dass es sich in einen sinnvollen Einleitungssatz, Begründung und Aufforderung zum Tun chronologisch richtig eingliedern und mit einem eingeschränkten und einer bedingten Nachhaltigkeit in der Stimme so anbringen lässt, dass es beim Gegenüber ankommt, wie sie es auch tatsächlich meint. Sie wartet.

 

 

Bleibt stumm und wirkt wahrscheinlich, als wäre das Gehirn in ihrem Schädel immer noch hohl und unbrauchbar nach der wochenlangen Internierung, massiv hohen Verabreichung von einem Drogenausmaß an Halluzinogenen, Hypnotika, Schlaf- und Schmerzmittel, Antibiotika uvm. zur gleichen Zeit, dass den stärksten Kolumbianer oder opiaterprobten Asiaten umhauen würde, als auch traumatisiert von den etlichen Körperverletzungen, die Großteils in wehrlosem Zustand stattfanden, als auch der Trennung von Sohn und Töchtern, die in einem solchen Ausmaß 20 Jahre lang nicht gegeben hat.

 

 

Um die spannende Stille zu unterbrechen, wünscht sie sich …. ein Eis am Stiel. Dies lässt sich ohne weiteres vom Holz beißen und kühlt außerdem die Hals-Innenseite. Nun bringt er ihr ein Cornetto, weil er es gut meint und sie damit in Verlegenheit, da sie weder den Mund soweit aufbringt, um den Keks zu beißen, noch mit den Fingern schon so geschickt ist, die Keksteile rechtzeitig aufzufangen, bevor sie an ihrer Hose landen.

 

 

Während er sich am Buffett befindet, und der leere Platz vor Lilly die Sicht auf die anderen beiden Männer freigibt, versucht sie sich beim Erkennen des Internisten, dem sie gerade 3 Wochen lang ausgeliefert war, zu beruhigen, die feuchtwerdenden und deshalb zur Unschärfe im Sehen tendierenden Augen, an deren Lidern sich ein leichtes Zucken bemerkbar macht, welches so einen Erschöpfungs- und Überlastungszustand als einzigen bisher von ihr wahrgenommenen Parameter, anzeigt und zu Rückzug und Ruhe zwingt, wach und offen zu halten.

 

 

Sie greift mit beiden Händen an die Außenseite der Lider und zieht das äußere Ende gegen den Haaransatz, um einen Lidschluss zu erzwingen, der die Oberflächen des Augapfels reinigen soll. Ihr wird unwohl. Zum Glück kehrt ihr Begleiter wieder zurück. Die beiden Männer verabschieden sich voneinander. 

 

 

Der Internist dreht sich, bevor er die Terrasse ebenfalls verlässt, um zu den Brutkästen für seelen- und atemlose Leiber, zurückzukehren, zu Lilly, legt ihr kurz seine Hand auf ihre linke Schulter und spricht ihr oder sich selbst gut zu: "Sehen sie, jetzt können sie wieder lachen."