hinkende entlassung

 

 

 

Endlich ist es soweit: sie bekam ihre orangen Flip-Flops, die mit Strass-Steinchen besetzt nun ihre Füße ziehen dürfen. Die Therapeutin ist schockiert - diese Art von Schuhwerk ist unsicher und führt zur Überbelastung des Vorderfußes. Da Lilly ihren linken Fuß sowieso nur nachschleifen kann, sind ihr die Kommentare ziemlich egal. Sie liegt am Bett und freut sich über ihre schicke Fußbekleidung.

 

 

Sie entsorgt ihre wärmenden Stricksocken, die sie von Anfang an durch die 6 Wochen begleitet haben. Vor ihrem geistigen Auge sieht sie sich und ihre Füße schon ganz woanders. Sie weiß noch nicht wo, aber es wird in der Nähe eines Sandstrandes sein und gewiss nicht hier in Wiesen, steinigen Seeufern und Wäldern. Sie versucht, ihrer Vision näher zu kommen, als ein sehr großer Mann mit militärischem Haarschnitt und einem Tattoo, dass unterm hochgekrempelten Ärmel hervorlugt, in das Zimmer tritt.

 

 

Er stellt sich vor und ein paar Ampullen auf das Bett, welche er mit ihrem Blut anfüllen will. "Sie sind Pfleger?", fragt Lilly ungläubig. "Ich hab sie noch nie hier gesehen.", fügt sie skeptisch an. Er hört dies sicher öfter, denn er ist darauf vorbereitet. Sein Aussehen differenziert sich ein wenig von den anderen. "Wollen sie mir ihren Unterarm ausstrecken.", fragt er so höflich er kann mit sehr tiefer Stimme.

 

 

"Nicht wirklich.", weist sie ihn ab. Sie traut dem Riesen nicht zu, ihr ohne ein Gemetzel anzurichten, 4 Fläschchen Blut abzunehmen. Sie streckt die Hand unwillig hin und beobachtet das Treiben. Die Nadel steckt sanft in der Haut, noch bevor sie damit gerechnet hat, so schmerzlos, wie ein Hauch warmer Sommerwind. Geschickt hat er seine Aufgabe blitzschnell erledigt, verabschiedet sich wieder.

 

 

"War es schlimm?". Lilly betrachtete seine Tattoos, durch das weiße Hemd. "Nein. Im Gegenteil.", muss sie zugeben und schämt sich ein wenig, wegen ihrer Vorurteile, die aus Überraschung über so viel Männlichkeit eines Krankenpflegers entstanden. Bei einer spontanen Gesichtsmassage ihrer Logopädin denkt sie noch darüber nach, wie beeindruckt sie von dem gefühlvollen Riesen war.

 

 

Sie hat sich damit abgefunden, dass unter dem Groß der Physiotherapeuten mangelndes Verständnis für ihre exotische, neurologische Thematik vorherrscht und sie behandelt wird, als käme sie mit einem Hüftbruch daher. Sie wirft noch ein paar Mal auf einem wackelnden Ball stehend mit einer Assistentin Bälle, dann zwei Bälle, dann kleinere Bälle, dann zwei kleinere Bälle.

 

 

Obwohl sie noch den Verband am Fußgelenk hat, wird sie frühzeitig entlassen. Sie hat dies unterschrieben und versichert mit ambulanter Rehabilitation weiterzumachen. Die Termine werden vereinbart und zugeschickt. Sie trägt zwar von dieser Station eine neue Verletzung mit und wird das leckere, regelmäßige Essen vermissen, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben nicht selber kochen musste, aber nichts ist schöner, als durch die große Glas-Schiebetür zu humpeln. "Auf Nimmerwiedersehen!"