tracheal-kanüle entfernen

 

 

 

Da ist er. Ihre Position ist wie immer unterwürfige, unterlegene, hilflose - aber nur noch dieses eine Mal. Sie rechnet mit allem: Spritzen, Narkosen, Schneidegeräten, Schraubenziehen, Scheren, Nadel und Faden, Tupfern, Verband und natürlich damit, einen 8. Katheter gelegt zu bekommen, weil es so Spaß macht. Kniekehlen, Fußgelenke oder der Bauch wären noch frei zum Anstechen.

 

 

Da liegt sie also... fast zwei Wochen ist dieses Hals-Rohr schon ein Teil von mir - bestimmt an- und verwachsen mit der Luftröhre und der Haut am Vorderhals. "Rein, raus, akzeptieren, sich dran gewöhnen, wieder hergeben.", seufzt sie, aufgrund der Tatsache, dass es nun scheinbar endlich so weit ist. Die Trachealkanüle wird entfernt, sie wird in schon kurzer Zeit wieder komplett selbst atmen.

 

 

Das heißt, ihre geschundene Seele, die sich die meiste Zeit in das Atemgerät oder an die Zimmerdecke dieser Gruft in der Intensiv-Station geflüchtet hat, um sich vor dem Virus zu bewahren, wird wieder komplett in ihren Körper schlüpfen und sich wieder Indoor aufhalten.

 

 

"Ich weiß jetzt, warum hier alles abgeriegelt und eingemauert ist - damit die Seelchen nicht gleich abhauen können, weil es viel leichter wäre, sich irgendwo neu gebären zu lassen in einem frisch abgenabelten Säuglings-Körper, als wieder in einen alten, gebrauchten zu schlüpfen." Die Patientin ist dementsprechend nervös, wie es wird mit den abgemagerten, geschwächten 50 Kilo Fleisch, die sich jetzt ja wieder steuern lassen, weil sich die Zellen der Nervenleiter innerhalb kürzester Zeit wieder regeneriert haben. 

 

"Was für ein chemisches Wunderwerk diese Body-Fabrik ist." So klar wie in diesem Moment ist selten, dass wir nur wegen dem Sauerstoff, der uns umgibt, lebendig sind und wir von einem funktionierenden Atemimpuls abhängig sind, der wiederum ohne elektrische Impulse nichts ist und diese wiederum auf Verbindungen angewiesen sind.

 

 

"Die Wunde am Hals schließt sich innerhalb der nächsten Tage. Sollte es Probleme geben, können wir die Kanüle bis zum zweiten Tag ohne Probleme wieder reingeben.", kommentiert er sein Vorhaben, während er sich neben das Bett setzt. Ihre Stimmbänder werden wieder brauchbar, ihr Hals frei, der Kopf beweglich, eine große, unnatürliche Öffnung zu ihrer Lunge schließt sich.

 

 

Sie liegt stumm da, wartet ab. "Mach schon." Sie sucht mit den Augen nach den Dingen, die er letztes Mal in der Hand hatte, also grüne Flasche, Tuch, medizinische Instrumente, Plastikteile... Mit einem blitzschnellen, unerwarteten Ruck, zieht er fix den Hahn aus dem Hals. Der Körper reagiert. Das Becken zittert sicher geschlagene 3 Minuten, wie ein zappelnder Fisch auf dem Trockenen. Ihr Bizeps zieht instinktiv und blitzschnell die Unterarme hoch, um mit schützenden Händen den dargebotenen Hals zu verteidigen und die Fingernägel landen in seinem Unterarm, krallen sich darin fest wie Klemmen. Er war schneller, als Lilly dachte. Das Entfernen lebt also vom Überraschungsmoment.