erste spässe auf der intensiv-station

 

 

 

Den ersten Joke erlaubt sich Lilly mit der besten Seele, die ihr Intensiv-Zimmer zu bieten hat. "Da kommt sie.", diese Schwester hat alles, was sich ein Patient wünschen kann - Geduld, Ruhe, Fürsorge, Kompetenz, Ausdauer. Es gibt nichts, was sie nicht erklärt, bevor sie etwas tut. Sie hat bestimmt eine Zusatz-Ausbildung im Umgang mit sedierten Patienten.

 

 

Inzwischen kann Lilly selbst auf ihrer Station anfangen, so gut wurde sie von der Schwester immer wieder geschult. Sie hat sie bei jedem ihrer Handgriffe beobachtet, da sich ja sonst nichts ereignete in diesem Zimmer, außer Lichtspiegelung in den Chrom-Armaturen am Sideboard. Lilly versucht nicht mit ihrem Schmunzeln ihre Vorfreude auf den kleinen Prank zu verraten und tut als wäre sie benommen oder müde.

 

 

Die Tür geht auf, sie tritt wie gewohnt an das Sideboard mit den Handschuhen und Waschbecken, beginnt ihre Rituale - deren gleichbleibender Ablauf selbst Lilly in der langgezogenen, einsamen Phase Sicherheit vermittelt hat - beginnt mit einem allgemeinen Satz über sich, Befindlichkeit oder das Wetter sanft die allgemeine Kommunikation, bevor sie vorsichtig konkrete Fragen nach Lillys Zustand stellt. Während der Lungenentzündung zum Beispiel verging ja kein Tag ohne Veränderungen: Fieber, Husten, Absaugen, Erstickungsanfälle, Kälte, Hitzen… Sie hat alle - auch lebensgefährliche Situationen -  mit Ruhe gemeistert.

 

 

Lilly fährt den Rückenteil ihres Bettes ein wenig höher. Da dreht sich die Schwester schon um. Lilly sucht Augenkontakt und deutet auffällig auf ihr Ohr. Die gute Seele überlegt nun kurz und wartet ruhig. Lilly zeigt mit ihren Fingern nochmals auf ihr Ohr und beugt den Kopf mehrmals Richtung Schulter, so, als ob hier nichts funktionieren würde. Nun beginnt sie. Lilly freut sich, weil es klappt. Die Schwester nimmt ihre übliche, beruhigende Armhaltung ein, wo sie die Arme anwinkelt und mit den Händen besänftigende Bewegungen macht - in Slow Mo natürlich.

 

 

Lilly merkt, wie sie jetzt überlegt, was nun schon wieder sein könnte und verleiht mit fragendem, hilflosem Blick dem Opfersein noch mehr Ausdruck, während sie sich ihr inneres Amüsement so gut es geht verkneift. Das Gesicht würde sich ja sowieso nicht bewegen. Die Schwester checkt ihr Fachwissen über einen möglichen Gehörsturz ab und versucht deeskalierend auf die Patientin einzuwirken: "Wissen sie, das kann vorkommen."

 

 

Als sie durch unauffälliges Fragen herausfinden will, wie lange sie schon an der Gehörlosigkeit leidet, hebt das Lillys Stimmungslevel mehr als ein gezuckertes, kohlensäurehaltiges Getränk. Sie genießt diese wochenlang gewohnte Fürsorglichkeit gerade sehr, weil sie diese nun endlich nicht mehr braucht. "Ist es ein Stechen oder ein Druck?". "Ein Joke.", lacht Lilly, so hörbar es eben ging mit ihrem Verband am Hals, der wie ein zweiter Mund mit Auf- und Zuschnappen mit lacht und ist sich nun sicher, dass sie wieder ganz die Alte ist.